Als mir Karin im Sommer 2013 das Kochbuch „Vegan for Fit“ von Attila Hildmann zeigte und vorschlug, zusammen eine vierwöchige „Vegan Challenge“ zu starten, musste ich erstmal schlucken. Wie würde das im Alltag ausschauen, was erwartet mich da? Meine Mahlzeiten bestanden damals überwiegend aus Fleisch und der vermeintliche Verzicht auf alle tierischen Produkte flößte mir ganz schön Respekt ein.
Die Bilder im Kochbuch sahen aber mega lecker aus und klangen spannend! In jedem Rezept entdeckte ich Zutaten, die ich noch nie selbst verwendet hatte oder die mir sogar gänzlich unbekannt waren. Trotz anfänglicher Skepsis wollte ich mich auf den Versuch einlassen und die Aussicht darauf, ein paar überschüssige Kilos loszuwerden, gab mir den nötigen Ansporn.
Einkaufen neu lernen
Meine jahrelang gehegten Essgewohnheiten sein zu lassen und Neues zu erlernen war zunächst ganz schön ungewohnt. Es erforderte viel Aufmerksamkeit, was sich beim ersten Großeinkauf im Bioladen zeigte. Vorher hatte ich höchstens mal die Nährwertangaben auf den Verpackungen überflogen, nun fahndete ich nach Inhaltsstoffen tierischen Ursprungs. Leider wurde ich dabei oft unverhofft fündig! Das machte mich auch stutzig. Was hat eigentlich Milchpulver in Kartoffelchips und Knochenmark in Gummibärchen verloren? Und wieso steht da nicht Knochenmark, sondern Gelatine drauf?
Da wir in den vier Wochen komplett auf industriell verarbeitete Produkte verzichteten und alles frisch kochten, war die Challenge für mich vor allem eine kulinarische Entdeckungsreise. So lernte ich zum Beispiel Quinoa und Amaranth kennen, die schon seit Jahrtausenden kultiviert werden, bei uns aber wenig bekannt sind. Ich verwendete zum ersten Mal Nussmuse zum Kochen, Pflanzen- statt Kuhmilch und entdeckte, wie schmackhaft Tofu sein kann. Ich hätte mir vorher nie vorstellen können, dass Speisen aus rein pflanzlichen Zutaten so unglaublich lecker sind und satt machen. Hier eine kleine Auswahl unserer Challenge-Gerichte.
Es tat sich einiges
Was in den nächsten Wochen geschah, war unglaublich. Ich erlebte ein völlig neues Körpergefühl, der Verzicht auf tierische Proteine tat meiner Verdauung gut. Nach dem Essen hatte ich kein Völlegefühl mehr, sondern fühlte mich aufgeladen und sprühte vor Energie. Die sonst so strapaziöse Arbeit, vor allem die Nachtschicht, steckte ich viel besser weg. Ich brauchte weniger Schlaf um mich zu erholen und meine Laune und Lebensfreude stiegen.Und auch die überschüssigen Kilos schmolzen dahin. Während der Challenge nahm ich rund vier Kilo ab, seit der dauerhaften Umstellung auf vegan bin ich konstant rund acht Kilo leichter und halte mein neues Normalgewicht problemlos.
Nachhaltige Veränderung
Die vier Wochen vergingen wie im Flug. Mir ging es körperlich und seelisch super. Schon aus gesundheitlichen Gründen wusste ich daher, dass ich bei der veganen Ernährung bleiben würde. Doch es gab noch andere Gründe, die mich zum Veganer aus Überzeugung machten.
Ich hatte vor der Challenge schon von einigen Dokus gehört, die Zusammenhänge aufzeigen, denen man sich vielleicht selbst nicht stellen möchte, weil sie unangenehm sind oder weh tun. Vor allem solche in denen der grausame Umgang mit Tieren gezeigt wird. Das war mir bis dahin immer zu heftig gewesen und ich wollte das nicht sehen. Ich glaube das hat viel damit zu tun, dass ich mich selbst unterbewusst bereits als Teil des Problems erkannte und trotzdem mitmachte. Da war es angenehmer, lieber gar nicht so genau Bescheid zu wissen über all das Leid und die Grausamkeit. Erst als ich mich während des veganen Selbstversuchs davon entfernt hatte, mich also gewissermaßen rausnehmen konnte, konnte ich den Mut aufbringen die Wahrheit anzusehen. Die erste Doku über Ernährung, die ich mich traute anzusehen war „We feed the world“. Hier bekommt man einen ersten, relativ sanften Einblick, wie die globalisierte Nahrungsmittelindustrie mit dem Welthunger und globalen Umweltproblemen zusammenhängt. Mit der Zeit schauten wir noch viele weitere Dokumentationen über Ernährung, die uns berührten. Hier findest du unsere 5 Favoriten.
Leicht war das nicht, oft war ich zu Tränen gerührt. Neben all den erschreckenden Fakten über die globalen Konsequenzen, konnte ich nun einfach nicht länger das Leid der einzelnen Tiere ignorieren. Ich begriff endlich, dass die Schweine und Hühner, die als „Nutztiere“ abgestempelt werden, fühlende Individuen sind die leben wollen, genau wie ich selbst. Und jetzt wo ich wusste, dass ich keinerlei tierische Produkte brauche um mich gesund und lecker zu ernähren, gab es einfach keinen Grund mehr, den Tieren das anzutun. Seit ich das begriffen habe, lebe ich aus tiefer Überzeugung vegan.
Als wir später einmal einen Urlaub in Österreich verbrachten, begegnete ich zum ersten Mal freilaufenden Kühen auf einer Wiese. Das war ein ganz emotionaler Augenblick. Ich konnte diesen großen, Respekt einflößenden aber so sanftmütigen Wesen zum allerersten Mal offenen Herzens begegnen. Und auch sie schienen zu merken, dass ich ihnen nichts Böses will und sie schleckten mich zur Begrüßung ganz freudig ab!
„Man braucht Kindern das Tötungsverbot nicht erst beizubringen, denn dass wir einander nicht töten dürfen, ist die implizite Ausgangsvereinbarung unserer Gesellschaft. Das gilt allerdings nur, soweit es Menschen betrifft. Bei Tieren haben wir deutlich weniger Skrupel. Die Tötung von Tieren ist nicht Ausnahme, sondern Regel, ob für die Kleidung oder zu Nahrungszwecken.
Allein 60 Millionen Schweine und 600 Millionen Hühner werden in Deutschland jährlich geschlachtet. Und hier liegen nicht einmal essentielle Gründe vor, die gegen den Wert des Lebens abgewogen werden könnten. Gewiss, wir brauchen Kleidung, wir brauchen Nahrung.
Aber nicht diese Kleidung, nicht diese Nahrung.
(…) In der einen Waagschale liegen nicht Kleidung und Nahrung, sondern Gewohnheiten, Traditionen, Vorlieben, Genuss, Geschmacks- und Modevorstellungen. In der anderen liegen Millionen Leben.“
aus „Artgerecht ist nur die Freiheit“ von Hilal Sezgin
7. Januar 2016 at 3:48
Tolle Initiative die ihr da ins Leben gerufen habt, finde ich ganz super! Glg Susanna
7. Januar 2016 at 23:13
Danke, Susanna! Schön, wenn es dir gefällt und dich vielleicht auch ein wenig inspiriert! 🙂 Liebe Grüße, Karin und Marco
13. Januar 2016 at 21:42
NICHTS BESSER ALS DAS WAS IHR GERADE IN EUER LEBEN LASST – ABER MANN MARCO! – ICH WOLLTE DOCH NOCH SOOOO VIELE KÜHE MIT DIR STEHLEN – VERGISS MEIN NICHT!!!
GUTE REISE UND DANKE DAS DU/IHR IN MEIN LEBEN GETRETEN SEID.
27. Juli 2017 at 8:39
Hallo Marco,
dein Einstieg in veganes Leben ähnelt meinem. Nach einer angeregte Diskussion im Freundeskreis, bei der jeder „etwas wusste“ aber niemand „es probiert hatte“, entschied ich mich von heute auf morgen „VEGAN“ auszuprobieren. Es folgte eine intensive Zeit mit viel lesen und ausprobieren. Seit über drei Jahren lebe ich vegan und habe mein Gewicht um ca. 20 kg reduziert, ohne einen einzigen Tag zu fasten. Ich bin fit, stets gut gelaunt und brauche weniger Schlaf.
Die Zeit der Kochpraxis in TamanGa tat mir unendlich gut, weil ich mit gleich denkenden Leuten Kontakt bekam.
Vegan zu essen, ohne dass man erklären muss, warum man gewisse Speisen nicht isst, war sehr entspannend und hat mich stark gemacht.
Liebe Grüße
Barbara